Montag, 26. November 2018

Das andere Stadtratsprotokoll III





Das Erste was mir auffiel (nachdem ich erfolgreich die Treppen hochgekeucht war, mit hohen Schuhen, wie ich hier betonen möchte, weshalb ich mein tägliches Fitnessprogramm heute einfach unter den Tisch fallen lassen werde), war das Fehlen der gutaussehenden Polizisten, die ansonsten mit mehr oder weniger grimmigen Gesichtern die Stadtratssaaltüre flankieren (sie tauchten allerdings später wieder auf. Hurra!). Das zweite war das Schild auf dem stand, man solle seine Jacken an der Garderobe lassen. Um die Wichtigkeit dieser Aussage zu unterstreichen, hat ein Ausrufezeichen offenbar nicht gereicht. Man hat gleich mehrere hinzugefügt, was der Aufforderung einen latent aggressiven Ton verlieh. Es stellt sich die Frage, warum es der Stadt so wichtig ist, dass man die Mäntel draussen lässt. Aus Angst jemand könnte eine Bombe darunter verstecken?

Die Stadtratssitzung wurde wie üblich von Urs Zurlinden (FDP), dem aktuellen Stadtratspräsidenten eröffnet. Bevor es aber zu den eigentlichen Traktanden ging, erklärte er erst einmal wie man die Mikrofone richtig benutzt. Das letzte Mal hatten einige Redner – und Rednerinnen solche Probleme damit, dass sie schlecht verstanden wurden, was natürlich für die Protokollantinnen (also die richtigen) eher schwierig war (Mikrofone sind eine eigene Wissenschaft und es können – tatsächlich – viele nicht damit umgehen. Dann beschweren sie sich, die Technik funktionierte nicht richtig und dabei reden sie einfach nicht ins Mikrofon, sondern einfach mal in die Luft.) Als ehemaliges Schier – Wieb (Langenthaler Schnitzelbank) weiss Urs Zurlinden natürlich, wie man mit den tückischen Dingern klarkommt. „Gerade hin stehen, Kopf gerade halten und möglichst nichts ablesen!“, empfahl er den Anwesenden.

Anwesend waren übrigens nicht alle. Der Fraktionspräsident von SP/GL, Roland Loser, seines Zeichens YB – Fan, weilte zum Zeitpunkt der Sitzung in Manchester (wo er sich wahrscheinlich sehr wohl fühlte), Daniel Steiner – Brütsch (EVP) dagegen, weilte im Stau (wo er sich wahrscheinlich nicht sehr wohl fühlte). Aber immerhin: Trotz der Wahlschlappe vom Sonntag war die SVP fast vollständig anwesend und wirkte – obwohl wir ja gemäss ihrer Logik gerade die Demokratie beerdigt haben – sehr fidel. Und auch die Linken hatten sich ins Parlament gewagt, trotz der Sozialversicherungsdetektivne, die zweifellos schon in den Bäumen auf sie gelauert haben…

Kurz fassen sollen sich die Redner – und Rednerinnen doch, bat Urs Zurlinden dann gleich vor dem ersten Traktandum und fast glaubte man, eine Spur Verzweiflung in seiner Stimme zu hören. Verdenken könnte man es ihm nicht. Nach den langen Diskussionen um die Erhöhung des Eigenkapitals der Haslibrunnen AG und den nicht weniger langen Debatten um die Mehrwertabgabe, stand schon wieder ein Monstertraktandum auf dem Zettel, nämlich die Totalrevision der Stadtrats – Geschäftsordnung.

Stadtpräsident Reto Müller, ging dann auch gleich beim ersten Traktandum mit guten Beispiel voran. „Unsere Kabel sind alt, wir brauchen neue“, fasste er zusammen. Es ging darum, dass es auf der Stadtverwaltung technisch gesehen noch etwas gar altmodisch zu und hergeht (immerhin haben sie funktionierende Telefone und müssen nicht per Flaschenpost miteinander kommunizieren. Man muss mit wenig zufrieden sein.) Dafür brauchte man die Bewilligung des Kredits und die Projektgenehmigung. Beiden stimmte der Stadtrat zu, so dass sich unser schönes Stadtverwaltungsgebäude nicht nur über etwas modernere Technik, sondern auch über eine neue Notbeleuchtungsanlage freuen kann. Wenn das nicht vorgezogene Weihnachten ist.

Weihnachtlich harmonisch ging es auch weiter. Das nächste Traktandum widmete sich dem Ferienheim Oberwald und der Motion von Daniel Steiner – Brütsch, die erreichen will, dass die Stadt  nicht wie bisher jedes Jahr den Unterstützungsbeitrag individuell  festlegen soll, sondern dass dieser Betrag, basierend auf einer Leistungsvereinbarung von 2019 – 2022 fixiert wird. Dem stimmten die Parteien zu, allerdings nicht ohne Kritik zu üben. So konnte sich Daniel Schick (FDP) die Bemerkung nicht verkneifen, die Rationalität sei bei diesem Geschäft nicht überall vorhanden. Zweifellos spielt der emotionale Bindung, die viele Stadträte – und Stadträtinnen mit dem Ferienheim verbinden, eine gewisse Rolle. Denn Oberwald bedeutet letztendlich Hausmutter Erika. Und wer hat nicht schon in Erikas Küche abgewaschen. Und mal ehrlich, wer will schon Erika enttäuschen?

Die Wahl eines neuen Mitglieds für die Finanzkommission als Ersatz für den ausgeschiedenen Lukas Bissegger (FDP) einstimmig. Der hochqualifizierte (O – Ton FDP) Michael Barben übernimmt den Sitz.

Und dann wurde es „baumig“. Beat Hasler (parteilos) und Mitunterzeichnende wünschten sich Bäume auf dem Badi – Parkplatz. Dies nicht nur, weil man seine Kinder sonst versehentlich in den aufgeheizten Autos knusprig brät, sondern auch, weil Bäume für ein besseres Stadtbild sorgen und es ein kleiner Beitrag zum Klimawandel wäre. Der Gemeinderat erklärte sich grundsätzlich einverstanden, so lange der Parklpatzbestand erhalten bleiben könne. Doch weil die FDP findet, man könne das Geld besser einsetzen und die SVP findet, die Bäume seien IN der Badi besser aufgehoben als VOR der Badi und die EVP findet, diese Baumfrage könne man auch dann behandeln, wenn es um die Gesamtsanierung des Schwimmbads geht, wurde die Motion schliesslich abgelehnt.

Bei den Bürgerlichen gab es allerdings Abweichler. Pascal Dietrich (FDP) und Carole Howald (JLL) zeigten ein Herz für Bäume und stimmten der Motion zu. Wahre Ents, würde ich sagen. Carole Howald hatte übrigens keinerlei Probleme mit dem Mikrofon, obwohl sie zum ersten Mal ans Rednerpult trat. Tatsächlich hätte man sie – rein vom Stimmvolumen her – für einen Moment fast mit Tamara Funiciello verwechseln können. Nur brüllte sie kein „Genossen“ ins Publikum, sondern erklärte energisch und schwungvoll die Vorzüge von Easy Vote.

Nicht nur der Gemeinderat sprach sich jedoch gegen Easy Vote aus, auch Janosch Fankhauser (SVP) zeigte sich nicht begeistert von der Idee. Er kritisiert vor allem, dass Easy Vote sich nur um die kantonalen und nationalen Abstimmungen kümmere, nicht aber um die städtischen. Und schliesslich komme es doch darauf an, die Jugend für Gemeindeabstimmungen zu gewinnen. Quasi Langenthal first. Eine Argumentation, der ich ehrlich gesagt nicht ganz folgen kann. Denn wenn man kantonal und national abstimmt ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man auch nach dem Stimmzettel für die Gemeindeabstimmungen greifen wird. Es ist ja keine „entweder oder“ Sache.

Trotz des Widerstands wurde die Motion als erheblich geklärt. Danach machte man noch einen Abstecher ins Stadtmarketing (wo die SVP fand, dafür brauche es keine zusätzliche Stelle) und in die Badi, die eine Sanierung dringend nötig hätte, wie Pascal Dietrich betonte. Denn seit der letzten sind schon 25 Jahre vergangen (das bedeutet die ‚neue Badi‘ ist gleich alt wie ich!) und es herrsche dringender Bedarf (als Beispiel erwähnte er das Kinderbecken, wo man sich die ganze Haut aufschürfen kann. Das stimmt. Daran erinnere ich mich noch lebhaft.)

Um eine Sanierung ging es auch Daniel Steiner – Brütsch (der sich erfolgreich aus dem Stau befreien konnte), der den Neubau des Zeitnehmergebäudes im Hardstadion vorantreiben wollte. Auch die hat schon bessere Zeiten gesehen (haha, ein Wortwitz. Und ich hab ihn nicht geplant! Er ist einfach so gekommen!) und hat letzthin bei einem Wettkampf mittendrin den Geist aufgegeben (was natürlich jetzt eher unpraktisch ist). Trotz dieses dramatischen Vorfalls und der Tatsache, dass prestigeträchtige Wettbewerbe – bei einem kommt sogar das Schweizer Fernsehen vorbei - anstehen, fand das Anliegen bei einer Mehrheit der Stadträte kein Gehör.

Naja, es gibt sicher andere Bilder, die das SRF aus der „Sportstadt Langenthal“ senden kann. Wie wäre es zum Beispiel mit Kindern, die mit blutig geschlagenen Knie aus dem Wasserbecken steigen?

Und nun kam es. Das Monstergeschäft aka Totalrevision der Geschäftsordnung des Stadtrates (wenigstens ging es nicht um Zahlen. Und wenigstens konnte man die Folien dieses Mal tatsächlich lesen) Artikel für Artikel ging man durch und behandelte die einzelnen Anträge. Eine sportliche Leistung wurde hierbei von Patrick Freudiger (SVP) vollbracht, der als Sprecher des Stadtratsbüros (die die Geschäftsordnung vorbereitet haben) dauernd vom Podium runtersteigen und zum Rednerpult rennen musste, wobei seine Nase meistens so tief in den Notizen steckte, das man hin und wieder Angst hatte, er würde einen Fehltritt machen und runterpurzeln (so wie es mir passiert, wenn ich mal wieder lese und gleichzeitig gehe).

Während es bei einigen Anträgen mehr um kosmetische Änderungen ging (oder um es mit Clavadetschers Worten zu sagen, um ein kleines redaktionelles Problem), ging es bei anderen darum, ob dem Stadtrat mehr Kompetenzen eingeräumt werden oder nicht. So will das Parlament in Zukunft Einsicht in die Akten, ohne  diese zuerst von Gemeinderat verlangen zu müssen und selbstständig externe Fachpersonen beauftragen können, wenn sich in der GPK Fragen ergeben, die von den Mitgliedern nicht beantwortet werden kann. Ausserdem soll der Gemeinderat ein Geschäft nicht mehr zurückziehen können, wenn er  erst einmal Eintreten beschlossen hat, ausser der Stadtrat gibt seine Zustimmung. Zudem soll in Zukunft nicht mehr der Gemeinderat, sondern der Erstunterzeichnende (Motionär) das Schlusswort haben.

Ohne jetzt irgendwas herbeireden zu wollen: Für mich war es schon auffallend, dass EVP und FDP die eigenen Kompetenzen sehr gerne erweitern wollten, zugleich auf mögliche Einschränkungen des Parlaments (wie zum Beispiel den Zusatz, der besagt hätte, dass Vorstösse gegen Sitte und Anstand nicht erlaubt sind), immer damit reagierten, es sei ja wohl klar, dass der Stadtrat das nicht mache. Dem Gemeinderat wurde jedoch ständig mögliches Taktieren vorgeworfen (wie zum Beispiel, dass er ein Geschäft plötzlich zurückzieht, wenn es nicht so läuft wie sie wollen). Herrscht da ein grundsätzliches Misstrauen? Schlechte Erfahrungen? Oder interpretier ich da zu viel rein?

Für das Geschäft wurde eine zweite Lesung beschlossen. Diego Clavadetscher wollte diese zwar wieder abklemmen und alles in einem Guss durchbringen, doch er fand für diesen Vorschlag keine Unterstützung. Zu reden geben wird in der zweiten Lesung wohl der Antrag von Bernhard Marti (SP), der möchte, dass man eine Beschränkung der Redezeit prüft. Ich wage mich jetzt da mal ganz weit vor und sage: Das wird nicht jedem gefallen.
Und so ging die Stadtratssitzung zu Ende. Glücklicherweise noch vor Mitternacht. Dann hätte sich Aschenputtels Kutsche nämlich wieder in einen Kürbis verwandelt. Oder besser gesagt: Dann wäre eine gewisse Bloggerin wohl erst um vier oder so ins Bett gekommen und das wäre für ihre Arbeitsfähigkeit nicht gut gewesen. Sie ist nämlich schon jetzt übermüdet und erzählt völligen Quatsch.

Was sonst noch passiert ist
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   Als es um die Frage ging, ob die Mitglieder des Sekretariats auch in der Stadtverwaltung tätig sein dürfen, kippte eine Petflasche um und landete auf den Boden. Schlechtes Omen?
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   Der ordentliche Diego Clavadetscher wollte sich der Flasche erbarmen, suchte sich dafür aber den falschen Moment aus, nämlich den Moment der Abstimmung.
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     Bernhard Marti (SP) und Beatrice Lüthi (FDP) nehmen ihre Stimmkarten jeweils zum Rednerpult mit. Ob sie wohl Angst haben, dass sie sonst geklaut werden?
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    Für einen Moment hatte das Stadtparlament einen Piraten. Tinu Spotti hatte sich aus seinem Stimmzettel eine eigene Flagge gebastelt. Ahoi!
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 Helena Morgenthaler, Gemeinderätin, (SVP) beginnt Sätze gerne mit „Es isch e so.“
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   Beat Hasler verwechselte das Manuskript, merkte es aber gleich bei der Anrede. Schade. Vielleicht hätten wir sonst einen Bündnerfleischmoment gehabt.
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 Bearrice Lüthi war in Kampflaune. Als Reto Müller scherzhaft meinte, der Gemeinderat könne das Geschäft (Totalrevision der Geschäftsordnung) ja auch noch zurückziehen, meinte sie, das solle er mal probieren, das wäre sicher unterhaltsam für die Medien. Und auch von ihren Parteikameraden Urs Zurlinden und Pascal Dietrich lässt sie sich den Mund nicht verbieten. Wonder Woman!
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Urs Zurlinden verwechselte ständig die Namen von Pascal Dietrich und Patrick Freudiger. Gut gibt es im Stadtrat nicht auch noch eine Pamela oder eine Patricia oder einen Patrice.

Best of

„Wenn es heisst, die auf der Verwaltung haben eine lange Leitung, dann stimmt das.“ Stadtpräsident  Reto Müller übt sich in Wortspielerein in Bezug auf die nötige Erneuerung der Kabel im Verwaltungsgebäude.

„Vorredner – und Vorrednerinnen….also wenn es eine gegeben hätte…“ Bernhard Marti (SP) 
gerät ins Straucheln. Als Sozialdemokrat ist ihm die weibliche Form eben quasi in Fleisch und Blut übergegangen. Selbst dann, wenn sie keinen Sinn ergibt.  

„Die schauen sich 20 Minuten an und sehen mehr Werbung als  Inhalt!“ Janosch Fankhauser geht etwas hart mit der Jugend ins Gericht. Immerhin sind die Jungen dank den Gratiszeitungen immer bestens über den Verlauf der Bachelor – Staffel informiert.

„Sei es für eine juristische Sekunde oder das man noch 3 Stunden darüber reden kann. Das ist Gugus!“ Beatrice Lüthi ereifert sich darüber, dass der Gemeinderat damit beauftragt wird, wiederum das Stadtbüro zu beauftragen. Offenbar hält sie nicht viel vom viel besungenen „Ewigen Kreis“.

„Es steht auch nicht drin, dass die Stadträte und Stadträtinnen nicht in Badehosen und Bikinis in die Sitzung kommen sollen und trotzdem kommt niemand auf die Idee das zu tun.“ Na, hoffentlich hat Pascal Dietrich da jetzt niemanden auf dumme Gedanken gebracht. Wobei: Vielleicht würde man mit mehr nackter Haut auch mehr Junge anlocken? Beim Bachelor scheint es ja zu funktionieren.

„Fürsprecher…“
„Heute sagt man Anwalt, Diego!“
„Nein, heute hat man die Wahl wie man bezeichnet wird!“
Diego Clavadetscher und Bernhard Marti streiten um die richtige Bezeichnung. Die Bloggerin hat allerdings tatsächlich beim Statement von Diego Clavadetscher drei Fürsten verstanden und sich schon gefragt, wer denn hier blaublütig ist.

„Vielleicht machen wir besser eine Rechnenzeitbeschränkung“, brummt Beatrice Lüthi, weil die Stimmauszählung länger dauert als normal.

„Es hängt ein bisschen vom Alter ab, wie ermüdend das ist.“ Ein süffisanter Pascal Dietrich zu einem sichtlich genervten Urs Zurlinden.

„Wer sich enthalten will, soll halt auf dem Abtritt oder Austritt oder was auch immer!“ Noch einmal Beatrice Lüthi, die wenig Geduld hat mit Pascal Dietrich, dessen Antrag für Verwirrung sorgt.

Philosophische Frage, die sich aus der Sitzung ergeben hat: Wie kann man per Hand ungültig abstimmen? Mit einer Hakenhand? Mit dem Fuss statt mit der Hand? Oder indem man die Finger kreuzt? Man weiss es nicht….

Montag, 29. Oktober 2018

Das andere Stadtratsprotokoll II



Zumindest musste ich mich dieses Mal nicht durch die halbe FDP – Fraktion kämpfen und rannte auch Niemanden über den Haufen, was ich jetzt einfach mal als Erfolg für mich versuchte. Ich erhielt lediglich einen etwas irritierten Blick und ein „Guten Abend“ von Roberto de Nino, als ich an ihm vorbeistöckelte. Wahrscheinlich dachte er, ich sei wichtig (ich trage jetzt nämlich neuerdings hohe Schuhe und einen tollen – und sauteuren – roten Mantel, in dem ich aussehe wie eine Dame von Welt. Die Schuhe haben einfach den Nachteil, dass ich mehr Zeit einrechnen muss um von A nach B zu kommen, aber was macht man nicht alles um stilvoll gekleidet zu sein?)

Im Vorfeld wurde ich mit einem vielsagenden Grinsen „gewarnt“, es werde sicher eine spannende Stadtratssitzung. Sie fing dann allerdings ganz friedlich an. So verkündete Pascal Dietrich (FDP) dann auch gleich bei seinem Anfangsvotum, er wolle den Abend harmonisch einleiten. Später war von seinem Harmoniebedürfnis allerdings nicht mehr so viel zu spüren.

Aber ich greife vor. Als erstes stand ein Traktandum auf der Liste, das mir irgendwie bekannt vorkam, nämlich die Aktenkapitalerhöhung der Haslibrunnen – AG. Wir erinnern uns: Bei der vorletzten Stadtratssitzung entschied sich der Stadtrat für eine zweite Lesung, weil er sich vom Gemeinderat nicht genügend informiert fühlte. (übrigens wäre es sehr praktisch, wenn es in solchen Fällen eine kurze Videozusammenfassung der letzten Sitzungen geben würden. Wie bei TV – Serien. Previously on Stadtrat….Und wenn wir schon dabei sind können wir auch gleich ein Stadtratsopening einführen à la ich sehe gute Beschlüsse, schlechte Beschlüsse, ein Leben, das neu beginnt…) 

Wirklich viel Neues gab es deshalb auch nicht. Niemand stellte die Notwendigkeit der Aktienkapitalerhöhung in Frage (das wäre ja schliesslich auch nicht besonders gut angekommen. Immerhin geht es darum, alten Menschen einen möglichst schönen Lebensabend zu bereiten. Da kann man ja schlecht dagegen sein. Alte Menschen, Tiere, Kinder, das sind immer emotional aufgeladene Themen) und es waren hauptsächlich kosmetische Eingriffe, die der Stadtrat vornahm.

Die Motion von SVP - Star Patrick Freudiger (der von Stadtratspräsident Urs Zurlinden als Motionärin bezeichnet wurde, was einen irritieren Blick seitens der frisch gekürten ‚Patricia Freudiger‘ einbrachte) verlangte, dass die Stadt Drittbeteiligungen ernsthaft prüfe, wobei Freudiger auch gleich geschickt anbringt, man wolle schliesslich, dass die SVP der Aktienkapitalerhöhung zustimmen. Ob es an der sanften Drohung lag oder an was anderem, auf jeden Fall wurde die Motion als erheblich erklärt.

Es folgte ein langes und engagiertes Votum von SVP – Gemeinderat Roberto de Nino, der ausführlich auf die Punkte eingeht, die in der ersten Lesung noch kritisiert worden sind. So erklärt er zum Beispiel wieso ein Provisorium für die Übergangszeit geplant ist und das Bauvorhaben nicht einfach in Etappen aufgeteilt wird. Dank dem Provisorium hat man schon während dieser Zeit 15 – 20 Betten mehr zur Verfügung, was ja auch dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit Rechnung trägt.

Bei den Betten waren sich die Damen und Herren Stadträte allerdings nicht ganz einig. Die SVP ist der Meinung, dass da vielleicht ein bisschen viel Betten (sprich, zu viele Plätze) geplant sind. Aber, wie Pascal Dietrich weise bemerkte, Prognosen, die die Zukunft betreffen, sind immer schwierig. Und schliesslich – da sind sich alle einig – wollen Menschen auch im Alter in ihrer Heimat bleiben (wobei, in anderen Städten gibt es vielleicht auch weniger Baustellen und das senkt ihr Risiko, in einen geöffneten Gully zu fallen).

Diego Clavadetscher (FDP) hätte wohl auch eine Laufbahn als Pfarrer einschlagen können, so ausführlich war sein Statement zur Schlussabstimmung. Und er bedient sich dabei am traditionellen Wortschatz der SP, indem er die Solidarität betont. Sowohl er, als auch die SVP verwies auf die enorme Wichtigkeit der zweiten Lesung – wohlmöglich wollten sie damit die kritischen Stimmen in der Bevölkerung zum Schweigen bringen, die fanden, der Stadtrat verschleppe das Geschäft unnötig…

An der Botschaft wurden schliesslich noch ein paar Änderungen vollzogen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir hierbei die Bemerkung von Paul Werner Beyeler, der findet, die Botschaft könne man auch etwas mehr den Jugendlichen anpassen. Der Inhalt dieser Botschaft wäre sicher sehr amüsant („Ey, loset mal Pimps, die Alte bruche nöii Homebase und drum, müesse mer ne fett Chole gä!“)

Schlussendlich ist aber die Botschaft präzisiert und: Die Aktienkapitalerhöhung war durch. Fast erwarte man einen Trommelwirbel. Aber da wahre Grauen wartete da erst noch. Es heisst: Mehrwertabgabe (Tadadam!).

Was ist Mehrwertabgabe? Wenn ein Grundstück wegen einer Neueinzonung an Wert gewinnt, muss der Eigentümer der öffentlichen Hand (sprich, der Stadt) eine Abgabe leisten. Die Stadt Langenthal muss nun eine Gesetzeslücke schliessen und ein neues Reglement schaffen. Doch der Entwurf des neuen Mehrwertabgabereglements wurde vom Stadtrat schon einmal zurückgewiesen. Und jetzt legte der Gemeinderat den gleichen Entwurf noch einmal vor. Das sorgte für erhitzte Gemüter.

Die FDP verstand sich dabei als Musterschülerin der Demokratie. So teilten sie Blätter mit ihren Änderungsanträgen und dazu passenden Grafiken aus, während Diego Clavadetscher mithilfe einer PowerPoint Präsentation und Laserpointer versuchte, die Ideen und Änderungsvorschläge der FDP zu visualisieren. Fast erwartete man, dass er auch noch FlipChart und Hellraumprojektor zur Hilfe nahm. Wirklich für Klarheit sorgte das allerdings nicht. Als die SP/GL Fraktion ebenfalls einen Änderungsvorschlag vorbrachte, wollte er diesen ebenfalls in seiner Grafik einordnen, was zu einer etwas merkwürdigen Diskussion führte, die sich darum drehte ob man jetzt über „das Grüne rede“ oder über das „Nichtgrüne“.

Zumindest so viel habe ich glaub kapiert. Die Bürgerlichen waren nicht zufrieden mit der Arbeit des Gemeinderates. Die SP/GL Fraktion allerdings schon. Sie sprachen sich erneut dafür aus, den Entwurf des Gemeinderates anzunehmen. Und als es zu der bizarren Situation kam, dass es zum Änderungsvorschlag vom Änderungsvorschlag und dann noch zur Alternative vom Änderungsvorschlag kam, stellte Bernhard Marti (SP) den Ordnungsantrag, den Prozess abzukürzen, indem man das Reglement provisorisch annehme, um es dann zu einem anderen Zeitpunkt mit mehr Ruhe zu verbessern. Das führte zu heftigen Reaktionen.

Patrick Freudiger kritisiert, dass einige wohl nur deshalb mit dem Antrag liebäugelten, weil sie früher nachhause gehen wollen und überhaupt sei das ein verdrehtes Demokratieverständnis und quasi eine Selbstkapitulation des Stadtrates. Die anderen Parteien – mit Ausnahme der SP/GL – schlossen sich dieser Beurteilung mehr oder wenig an und so wurde der Ordnungsantrag abgelehnt. Stattdessen wurde nun jeder der – zum Grossteil von der FDP gestellten – Anträge durchgekaut. Alle Änderungen kamen problemlos durch. Den – mehr oder weniger - vereinigten Kräften von FDP/SVP hatten die Linken nicht viel entgegenzusetzen.

Und auch die Voten von Stadtpräsident Reto Müller konnten das Ruder nicht mehr rumreissen. Als der letzte Antrag zur Abstimmung kam, bei dem von der Einsetzung einer Stadtratskommission die Rede war (heikel daran ist, dass eigentlich schon eine Kommission geplant ist, die allerdings nicht nur aus Mitgliedern der Legislative, sondern auch aus Mitgliedern der Exekutive bestehen soll), erinnerte er daran, dass die Bürgerlichen auch im Gemeinderat die Mehrheit halten. Zudem nahm er Stellung zu dem Vorwurf, der Gemeinderat hätte qualitativ nicht gut gearbeitet. Da sich der Entwurf sehr auf andere Gemeinden stützt, hätte da wohl noch andere unsauber gearbeitet.

Nach zwei Stunden schliesslich fiel der Entscheid. Dem nun angepassten Reglement wurde zugestimmt (wobei es sich nur ein Provisorium handelt, wenn ich das richtig verstanden habe, die genaue Ausarbeitung wird jetzt von der Kommission – oder den Kommissionen – vorgenommen).

Nach dieser Monsterdebatte war Urs Zurlinden anzumerken, dass er vorwärts machen wolle (ohnehin liess sein manchmal gequälter Gesichtsausdruck darauf schliessen, dass er dem einen oder anderen Redner gerne das Mikrofon abgedreht hätte). Die anderen Geschäfte wurden zackig abgearbeitet, so zum Beispiel, die Sanierung des Sportplatzes des Schulzentrums Elzmatte. Laut Janosch Fankhauser (SVP) würden die Kinder dort Hürdenlauf trainieren – allerdings eher unfreiwillig. Die Sportbahn hat nämlich ein paar Risse und Löcher.

Hoffen wir, dass bis zu geplanten Sanierung kein Kind in so ein Loch stürzt, spurlos verschwindet und im Wunderland landet.

Fast schien es am Ende so, die Stadträte – und Stadträtinnen hätte genug gestritten, so schnell ging die Behandlung der letzten drei Traktanden. Nicht, dass ich mich beschweren will. Mein Hintern tat weh, ich hatte Hunger und wenn noch einmal jemand, „Änderungsantrag“ oder „Mehrwertabgabe“ gesagt hätte, wäre ich schreiend aus dem Saal gelaufen.

Naja vielleicht nicht gerade schreiend, sonst hätte mich noch einer der netten, anwesenden Polizisten in eine Zwangsjacke stecken müssen.

Was haben wir nun von der Stadtratssitzung gelernt? In Langenthal ticken die Uhren anders. Sind es sonst eigentlich eher die Linken, die sich in der Opposition einrichten und an der Exekutive rummeckern, sind es in Langenthal eher die bürgerlichen, die sehr hart mit einem bürgerlichen Gemeinderat ins Gericht gehen. Typisch Langenthal. Irgendwie halt anders.

Es bleiben allerdings noch einige Fragen offen. Zum Beispiel….
…..wieso sind die Abstimmungskarten orange? Eine Referenz an die in Langenthal nicht vorhandene CVP? Zufall? Beruhigt orange? Oder die einzige Farbe, auf die man sich einigen konnte?
….warum sind die Jungliberalen auf dem Sitzplan mit lau (FDP- Farbe) und rot (SP – Farbe) eingezeichnet? Handelt es sich vielleicht doch um halbe Jungsozialisten? Sind sie sozialer als die Mutterpartei? Oder ist der Zeichner farbenblind?
…..ist der Stadtrat tatsächlich paranoid, wenn es um den Gemeinderat geht oder plant die Exekutive tatsächlich die langsame Entmachtung der Legislative? Tut der Gemeinderat nur so brav und seriös und in Wirklichkeit planen sie die Einführung der Monarchie? Man weiss es nicht...
….. über was reden Stadträte/Stadträtinnen, wenn sie gemeinsam auf die Toilette gehen?

Best of

„Altersheim oder Alterszentrum, das ist für mich eigentlich Haarspalterei.“ Sagt Patrick Freudiger (SVP), der als Jurist sonst eine ausgesprochene Liebe fürs Detail beweist.

„Es ist frostiger geworden. Carole (Howald) und Janosch (Fankhauser) haben schon einmal die Jacken angezogen.“ Pascal Dietrich, zu Beginn der Debatte über die Mehrwertsteuerabgabe, mit seiner ganz eigenen Version von „Winter is coming.“

„Der Stadtrat wird in Geiselhaft genommen und kann zwischen Pest und Cholera entscheiden.“ Daniel Steiner – Brütsch (EVP) zeigt Sinn für Dramatik und rutscht rhetorisch mal kurz ins Mittelalter.

„Ich möchte euch danken und das meine ich ehrlich.“ Die Dankbarkeit der SP/GL Fraktion über den neuen Antrag, den Diego Clavadetscher daraufhin flugs formuliert, hält sich allerdings spürbar in Grenzen.

„Könnte ein Vorschlag der Kapitalisten sein.“ Wieder Diego Clavadetscher, der sich offenbar mit linker Rhetorik hervorragend auskennt.

„Lehnt alle Anträge ab, aber danke für die Debatte.“ Der sonst sehr gesprächige Reto Müller macht es kurz.

„Wir vertrauen dem bürgerlichen Gemeinderat – und langsam tut es echt weh, das zu sagen.“
„Der Sprecher des bürgerlichen Gemeinderates schliesst sich dem Sprecher der Linkspartei an.“

Leichte Frustration bei Gerhard Käser (parteilos, SP/GL- Fraktion) und Reto Müller.

„Die Sportbahn ist 32, also ein Jahr jünger als ich. Der Unterschied: Sie muss man für Millionen sanieren, mich nicht.“ Bernhard Marti ist zuversichtlich, dass eine teure Sanierung bei ihm nie nötig sein wird.

„Ich bitte euch, es kurz zu halten, so wie es auch im Reglement steht.“
„Es kommt immer darauf an, wie man kurz interpretiert.“
„Das waren acht Minuten bei dir!“

Urs Zurlinden und Pascal Dietrich diskutieren über das richtige Zeitmanagement.

„Kurz heisst offenbar acht Minuten. Wir sind fünf Unterzeichnende, also rechnet mit 40 Minuten.“ Bernhard Marti kennt kein Erbarmen mit seinen Stadtratskollegen.

Ach ja: Ich hatte auch noch meinen obligatorischen ups, wie peinlich Moment. Ich bin nämlich versehentlich in die Männertoilette reingelatscht und habe dort jemanden am Pissoir überrascht. Wer auch immer das war: Ich hab nichts gesehen, ich schwör’s!