Das Erste was mir auffiel (nachdem
ich erfolgreich die Treppen hochgekeucht war, mit hohen Schuhen, wie ich hier
betonen möchte, weshalb ich mein tägliches Fitnessprogramm heute einfach unter
den Tisch fallen lassen werde), war das Fehlen der gutaussehenden Polizisten,
die ansonsten mit mehr oder weniger grimmigen Gesichtern die Stadtratssaaltüre
flankieren (sie tauchten allerdings später wieder auf. Hurra!). Das zweite war
das Schild auf dem stand, man solle seine Jacken an der Garderobe lassen. Um die
Wichtigkeit dieser Aussage zu unterstreichen, hat ein Ausrufezeichen offenbar
nicht gereicht. Man hat gleich mehrere hinzugefügt, was der Aufforderung einen
latent aggressiven Ton verlieh. Es stellt sich die Frage, warum es der Stadt so
wichtig ist, dass man die Mäntel draussen lässt. Aus Angst jemand könnte eine
Bombe darunter verstecken?
Die Stadtratssitzung wurde
wie üblich von Urs Zurlinden (FDP), dem aktuellen Stadtratspräsidenten eröffnet.
Bevor es aber zu den eigentlichen Traktanden ging, erklärte er erst einmal wie
man die Mikrofone richtig benutzt. Das letzte Mal hatten einige Redner – und Rednerinnen
solche Probleme damit, dass sie schlecht verstanden wurden, was natürlich für
die Protokollantinnen (also die richtigen) eher schwierig war (Mikrofone sind
eine eigene Wissenschaft und es können – tatsächlich – viele nicht damit
umgehen. Dann beschweren sie sich, die Technik funktionierte nicht richtig und
dabei reden sie einfach nicht ins Mikrofon, sondern einfach mal in die Luft.)
Als ehemaliges Schier – Wieb (Langenthaler Schnitzelbank) weiss Urs Zurlinden
natürlich, wie man mit den tückischen Dingern klarkommt. „Gerade hin stehen,
Kopf gerade halten und möglichst nichts ablesen!“, empfahl er den Anwesenden.
Anwesend waren übrigens
nicht alle. Der Fraktionspräsident von SP/GL, Roland Loser, seines Zeichens YB –
Fan, weilte zum Zeitpunkt der Sitzung in Manchester (wo er sich wahrscheinlich sehr
wohl fühlte), Daniel Steiner – Brütsch (EVP) dagegen, weilte im Stau (wo er
sich wahrscheinlich nicht sehr wohl fühlte). Aber immerhin: Trotz der
Wahlschlappe vom Sonntag war die SVP fast vollständig anwesend und wirkte –
obwohl wir ja gemäss ihrer Logik gerade die Demokratie beerdigt haben – sehr fidel.
Und auch die Linken hatten sich ins Parlament gewagt, trotz der Sozialversicherungsdetektivne,
die zweifellos schon in den Bäumen auf sie gelauert haben…
Kurz fassen sollen sich die
Redner – und Rednerinnen doch, bat Urs Zurlinden dann gleich vor dem ersten
Traktandum und fast glaubte man, eine Spur Verzweiflung in seiner Stimme zu
hören. Verdenken könnte man es ihm nicht. Nach den langen Diskussionen um die
Erhöhung des Eigenkapitals der Haslibrunnen AG und den nicht weniger langen
Debatten um die Mehrwertabgabe, stand schon wieder ein Monstertraktandum auf
dem Zettel, nämlich die Totalrevision der Stadtrats – Geschäftsordnung.
Stadtpräsident Reto Müller,
ging dann auch gleich beim ersten Traktandum mit guten Beispiel voran. „Unsere
Kabel sind alt, wir brauchen neue“, fasste er zusammen. Es ging darum, dass es
auf der Stadtverwaltung technisch gesehen noch etwas gar altmodisch zu und
hergeht (immerhin haben sie funktionierende Telefone und müssen nicht per
Flaschenpost miteinander kommunizieren. Man muss mit wenig zufrieden sein.)
Dafür brauchte man die Bewilligung des Kredits und die Projektgenehmigung.
Beiden stimmte der Stadtrat zu, so dass sich unser schönes
Stadtverwaltungsgebäude nicht nur über etwas modernere Technik, sondern auch
über eine neue Notbeleuchtungsanlage freuen kann. Wenn das nicht vorgezogene
Weihnachten ist.
Weihnachtlich harmonisch
ging es auch weiter. Das nächste Traktandum widmete sich dem Ferienheim
Oberwald und der Motion von Daniel Steiner – Brütsch, die erreichen will, dass
die Stadt nicht wie bisher jedes Jahr den
Unterstützungsbeitrag individuell festlegen soll, sondern dass dieser Betrag,
basierend auf einer Leistungsvereinbarung von 2019 – 2022 fixiert wird. Dem
stimmten die Parteien zu, allerdings nicht ohne Kritik zu üben. So konnte sich
Daniel Schick (FDP) die Bemerkung nicht verkneifen, die Rationalität sei bei
diesem Geschäft nicht überall vorhanden. Zweifellos spielt der emotionale
Bindung, die viele Stadträte – und Stadträtinnen mit dem Ferienheim verbinden,
eine gewisse Rolle. Denn Oberwald bedeutet letztendlich Hausmutter Erika. Und
wer hat nicht schon in Erikas Küche abgewaschen. Und mal ehrlich, wer will
schon Erika enttäuschen?
Die Wahl eines neuen
Mitglieds für die Finanzkommission als Ersatz für den ausgeschiedenen Lukas
Bissegger (FDP) einstimmig. Der hochqualifizierte (O – Ton FDP) Michael Barben
übernimmt den Sitz.
Und dann wurde es „baumig“.
Beat Hasler (parteilos) und Mitunterzeichnende wünschten sich Bäume auf dem
Badi – Parkplatz. Dies nicht nur, weil man seine Kinder sonst versehentlich in
den aufgeheizten Autos knusprig brät, sondern auch, weil Bäume für ein besseres
Stadtbild sorgen und es ein kleiner Beitrag zum Klimawandel wäre. Der
Gemeinderat erklärte sich grundsätzlich einverstanden, so lange der
Parklpatzbestand erhalten bleiben könne. Doch weil die FDP findet, man könne
das Geld besser einsetzen und die SVP findet, die Bäume seien IN der Badi
besser aufgehoben als VOR der Badi und die EVP findet, diese Baumfrage könne
man auch dann behandeln, wenn es um die Gesamtsanierung des Schwimmbads geht,
wurde die Motion schliesslich abgelehnt.
Bei den Bürgerlichen gab es
allerdings Abweichler. Pascal Dietrich (FDP) und Carole Howald (JLL) zeigten
ein Herz für Bäume und stimmten der Motion zu. Wahre Ents, würde ich sagen. Carole
Howald hatte übrigens keinerlei Probleme mit dem Mikrofon, obwohl sie zum
ersten Mal ans Rednerpult trat. Tatsächlich hätte man sie – rein vom
Stimmvolumen her – für einen Moment fast mit Tamara Funiciello verwechseln
können. Nur brüllte sie kein „Genossen“ ins Publikum, sondern erklärte
energisch und schwungvoll die Vorzüge von Easy Vote.
Nicht nur der Gemeinderat
sprach sich jedoch gegen Easy Vote aus, auch Janosch Fankhauser (SVP) zeigte
sich nicht begeistert von der Idee. Er kritisiert vor allem, dass Easy Vote
sich nur um die kantonalen und nationalen Abstimmungen kümmere, nicht aber um
die städtischen. Und schliesslich komme es doch darauf an, die Jugend für Gemeindeabstimmungen
zu gewinnen. Quasi Langenthal first. Eine Argumentation, der ich ehrlich gesagt
nicht ganz folgen kann. Denn wenn man kantonal und national abstimmt ist die
Wahrscheinlichkeit gross, dass man auch nach dem Stimmzettel für die
Gemeindeabstimmungen greifen wird. Es ist ja keine „entweder oder“ Sache.
Trotz des Widerstands wurde
die Motion als erheblich geklärt. Danach machte man noch einen Abstecher ins
Stadtmarketing (wo die SVP fand, dafür brauche es keine zusätzliche Stelle) und
in die Badi, die eine Sanierung dringend nötig hätte, wie Pascal Dietrich betonte.
Denn seit der letzten sind schon 25 Jahre vergangen (das bedeutet die ‚neue
Badi‘ ist gleich alt wie ich!) und es herrsche dringender Bedarf (als Beispiel
erwähnte er das Kinderbecken, wo man sich die ganze Haut aufschürfen kann. Das
stimmt. Daran erinnere ich mich noch lebhaft.)
Um eine Sanierung ging es
auch Daniel Steiner – Brütsch (der sich erfolgreich aus dem Stau befreien
konnte), der den Neubau des Zeitnehmergebäudes im Hardstadion vorantreiben
wollte. Auch die hat schon bessere Zeiten gesehen (haha, ein Wortwitz. Und ich
hab ihn nicht geplant! Er ist einfach so gekommen!) und hat letzthin bei einem Wettkampf
mittendrin den Geist aufgegeben (was natürlich jetzt eher unpraktisch ist).
Trotz dieses dramatischen Vorfalls und der Tatsache, dass prestigeträchtige
Wettbewerbe – bei einem kommt sogar das Schweizer Fernsehen vorbei - anstehen,
fand das Anliegen bei einer Mehrheit der Stadträte kein Gehör.
Naja, es gibt sicher andere Bilder,
die das SRF aus der „Sportstadt Langenthal“ senden kann. Wie wäre es zum
Beispiel mit Kindern, die mit blutig geschlagenen Knie aus dem Wasserbecken
steigen?
Und nun kam es. Das
Monstergeschäft aka Totalrevision der Geschäftsordnung des Stadtrates
(wenigstens ging es nicht um Zahlen. Und wenigstens konnte man die Folien
dieses Mal tatsächlich lesen) Artikel für Artikel ging man durch und behandelte
die einzelnen Anträge. Eine sportliche Leistung wurde hierbei von Patrick
Freudiger (SVP) vollbracht, der als Sprecher des Stadtratsbüros (die die
Geschäftsordnung vorbereitet haben) dauernd vom Podium runtersteigen und zum
Rednerpult rennen musste, wobei seine Nase meistens so tief in den Notizen
steckte, das man hin und wieder Angst hatte, er würde einen Fehltritt machen
und runterpurzeln (so wie es mir passiert, wenn ich mal wieder lese und
gleichzeitig gehe).
Während es bei einigen Anträgen
mehr um kosmetische Änderungen ging (oder um es mit Clavadetschers Worten zu
sagen, um ein kleines redaktionelles Problem), ging es bei anderen darum, ob
dem Stadtrat mehr Kompetenzen eingeräumt werden oder nicht. So will das
Parlament in Zukunft Einsicht in die Akten, ohne diese zuerst von Gemeinderat verlangen zu
müssen und selbstständig externe Fachpersonen beauftragen können, wenn sich in
der GPK Fragen ergeben, die von den Mitgliedern nicht beantwortet werden kann.
Ausserdem soll der Gemeinderat ein Geschäft nicht mehr zurückziehen können,
wenn er erst einmal Eintreten
beschlossen hat, ausser der Stadtrat gibt seine Zustimmung. Zudem soll in
Zukunft nicht mehr der Gemeinderat, sondern der Erstunterzeichnende (Motionär)
das Schlusswort haben.
Ohne jetzt irgendwas
herbeireden zu wollen: Für mich war es schon auffallend, dass EVP und FDP die
eigenen Kompetenzen sehr gerne erweitern wollten, zugleich auf mögliche
Einschränkungen des Parlaments (wie zum Beispiel den Zusatz, der besagt hätte,
dass Vorstösse gegen Sitte und Anstand nicht erlaubt sind), immer damit
reagierten, es sei ja wohl klar, dass der Stadtrat das nicht mache. Dem Gemeinderat
wurde jedoch ständig mögliches Taktieren vorgeworfen (wie zum Beispiel, dass er
ein Geschäft plötzlich zurückzieht, wenn es nicht so läuft wie sie wollen).
Herrscht da ein grundsätzliches Misstrauen? Schlechte Erfahrungen? Oder
interpretier ich da zu viel rein?
Für das Geschäft wurde eine
zweite Lesung beschlossen. Diego Clavadetscher wollte diese zwar wieder
abklemmen und alles in einem Guss durchbringen, doch er fand für diesen
Vorschlag keine Unterstützung. Zu reden geben wird in der zweiten Lesung wohl
der Antrag von Bernhard Marti (SP), der möchte, dass man eine Beschränkung der
Redezeit prüft. Ich wage mich jetzt da mal ganz weit vor und sage: Das wird
nicht jedem gefallen.
Und so ging die Stadtratssitzung
zu Ende. Glücklicherweise noch vor Mitternacht. Dann hätte sich Aschenputtels
Kutsche nämlich wieder in einen Kürbis verwandelt. Oder besser gesagt: Dann
wäre eine gewisse Bloggerin wohl erst um vier oder so ins Bett gekommen und das
wäre für ihre Arbeitsfähigkeit nicht gut gewesen. Sie ist nämlich schon jetzt
übermüdet und erzählt völligen Quatsch.
Was sonst noch passiert ist
·
Als es um die Frage ging, ob die Mitglieder
des Sekretariats auch in der Stadtverwaltung tätig sein dürfen, kippte eine
Petflasche um und landete auf den Boden. Schlechtes Omen?
·
Der ordentliche Diego Clavadetscher wollte
sich der Flasche erbarmen, suchte sich dafür aber den falschen Moment aus,
nämlich den Moment der Abstimmung.
·
Bernhard Marti (SP) und Beatrice Lüthi (FDP)
nehmen ihre Stimmkarten jeweils zum Rednerpult mit. Ob sie wohl Angst haben,
dass sie sonst geklaut werden?
·
Für einen Moment hatte das Stadtparlament
einen Piraten. Tinu Spotti hatte sich aus seinem Stimmzettel eine eigene Flagge
gebastelt. Ahoi!
·
Helena Morgenthaler, Gemeinderätin, (SVP)
beginnt Sätze gerne mit „Es isch e so.“
·
Beat Hasler verwechselte das Manuskript,
merkte es aber gleich bei der Anrede. Schade. Vielleicht hätten wir sonst einen
Bündnerfleischmoment gehabt.
·
Bearrice Lüthi war in Kampflaune. Als Reto
Müller scherzhaft meinte, der Gemeinderat könne das Geschäft (Totalrevision der
Geschäftsordnung) ja auch noch zurückziehen, meinte sie, das solle er mal
probieren, das wäre sicher unterhaltsam für die Medien. Und auch von ihren
Parteikameraden Urs Zurlinden und Pascal Dietrich lässt sie sich den Mund nicht
verbieten. Wonder Woman!
·
Urs Zurlinden verwechselte ständig die Namen
von Pascal Dietrich und Patrick Freudiger. Gut gibt es im Stadtrat nicht auch
noch eine Pamela oder eine Patricia oder einen Patrice.
Best of
„Wenn es heisst, die auf der
Verwaltung haben eine lange Leitung, dann stimmt das.“ Stadtpräsident Reto Müller übt sich in Wortspielerein in
Bezug auf die nötige Erneuerung der Kabel im Verwaltungsgebäude.
„Vorredner – und Vorrednerinnen….also
wenn es eine gegeben hätte…“ Bernhard Marti (SP)
gerät ins Straucheln. Als
Sozialdemokrat ist ihm die weibliche Form eben quasi in Fleisch und Blut
übergegangen. Selbst dann, wenn sie keinen Sinn ergibt.
„Die schauen sich 20 Minuten
an und sehen mehr Werbung als Inhalt!“
Janosch Fankhauser geht etwas hart mit der Jugend ins Gericht. Immerhin sind
die Jungen dank den Gratiszeitungen immer bestens über den Verlauf der Bachelor
– Staffel informiert.
„Sei es für eine juristische
Sekunde oder das man noch 3 Stunden darüber reden kann. Das ist Gugus!“
Beatrice Lüthi ereifert sich darüber, dass der Gemeinderat damit beauftragt
wird, wiederum das Stadtbüro zu beauftragen. Offenbar hält sie nicht viel vom
viel besungenen „Ewigen Kreis“.
„Es steht auch nicht drin,
dass die Stadträte und Stadträtinnen nicht in Badehosen und Bikinis in die
Sitzung kommen sollen und trotzdem kommt niemand auf die Idee das zu tun.“ Na, hoffentlich
hat Pascal Dietrich da jetzt niemanden auf dumme Gedanken gebracht. Wobei:
Vielleicht würde man mit mehr nackter Haut auch mehr Junge anlocken? Beim
Bachelor scheint es ja zu funktionieren.
„Fürsprecher…“
„Heute sagt man Anwalt,
Diego!“
„Nein, heute hat man die
Wahl wie man bezeichnet wird!“
Diego Clavadetscher und Bernhard
Marti streiten um die richtige Bezeichnung. Die Bloggerin hat allerdings
tatsächlich beim Statement von Diego Clavadetscher drei Fürsten verstanden und
sich schon gefragt, wer denn hier blaublütig ist.
„Vielleicht machen wir
besser eine Rechnenzeitbeschränkung“, brummt Beatrice Lüthi, weil die
Stimmauszählung länger dauert als normal.
„Es hängt ein bisschen vom
Alter ab, wie ermüdend das ist.“ Ein süffisanter Pascal Dietrich zu einem
sichtlich genervten Urs Zurlinden.
„Wer sich enthalten will,
soll halt auf dem Abtritt oder Austritt oder was auch immer!“ Noch einmal
Beatrice Lüthi, die wenig Geduld hat mit Pascal Dietrich, dessen Antrag für
Verwirrung sorgt.
Philosophische Frage, die
sich aus der Sitzung ergeben hat: Wie kann man per Hand ungültig abstimmen? Mit
einer Hakenhand? Mit dem Fuss statt mit der Hand? Oder indem man die Finger
kreuzt? Man weiss es nicht….